Interview mit Gernot Memmer zum Thema Nachhaltigkeit bei K>P
Qualität
Interview mit Gernot Memmer zum Thema Nachhaltigkeit bei K>P
Qualität
Mag. Erich Liegl
Managing Partner
Villach, Österreich
erich.liegl@kohl-partner.at+43 4242 21 123+43 664 51 05 826Zum AutorWas sind die Gästeerwartungen der Zukunft? Mit dieser Frage beschäftigt sich Kohl > Partner seit nunmehr 40 Jahren und analysiert kontinuierlich die sich verändernden Ansprüche der Gäste. In der Vergangenheit ist Qualität oft durch einzelne Unternehmer:innen unbewusst „passiert“, heute befinden wir uns in der Zeit der Qualitäts-Standards und –Prozesse. Und morgen? Morgen wollen die Gäste mehr. – Mehr Individualität!
Ähnlich den Phasen der Organisationsentwicklung von Unternehmen von der Pionierphase, über die Differenzierungsphase zur Integrationsphase gliedert Kohl > Partner die Dimensionen der Qualitäts-entwicklung. Gestern haben wir die Phase der intuitiven Qualität durchlebt mit teils unbewussten, personenabhängigen und zufälligen Qualitäts-entwicklungen. Das ging gut in einer Zeit jährlicher Wachstumsraten. Dann stieg der Anspruch an Qualität und der Tourismusmarkt entwickelte Standards. Die Phase der standardisierten Qualität begann, es wurden Qualitäts-Standards, Qualitäts-Handbücher und Mitarbeiter:innen-Standards eingeführt. Massentaugliche Standards laufen jedoch Gefahr einer Qualitäts-Starre, da Mitarbeiter:innen glauben, es könnte genügen, diese standardisierten Vorgaben zu erfüllen. Standardisierte Qualitätsprozesse gelten heute als Mindeststandards, die künftig individualisiert angepasst werden sollen. Die Zukunft geht in Richtung personalisierter Lebensqualität und Aufmerksamkeit. Emotionalität und das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse werden nachgefragt und stehen für individualisierte Qualität von morgen.
Die auf uns zukommende Qualitätsentwicklung steht für individualisierte Qualität und zeichnet sich bereits heute deutlich ab. Die Phase ist gekennzeichnet durch individualisierte Produkte und Dienstleistungen, durch Qualität der Aufmerksamkeit und durch Lebensqualität. Diese Dimension liefert eine positive Ergänzung zur intuitiven und standardisierten Qualität und baut darauf auf. Die Zukunft ist geprägt von einer Qualität von innen mit einem organisierten System als Basis. Das Herz muss dabei sein und Emotionalität wird wieder stärker spürbar, denn es geht darum, über den Standard hinaus auf individuelle Wünsch einzugehen und dabei die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen.
Kaum eine touristische Veranstaltung kommt derzeit ohne das Thema Digitalisierung aus und so mancher kann dieses Wort schon nicht mehr hören. Irgendwie verständlich, denn wir sind Gastgeber:innen und kein Industriebetrieb. Wir haben mit Menschen zu tun und nicht mit Produkten. Digitalisierung ist in der Wirtschaft ein mächtiger Trend, keine Frage. Aber müssen wir darum jetzt in jedem Zimmer eine Alexa platzieren? Muss in Zukunft an jeder Rezeption dieser herzige humanoide Roboter stehen, den wir dann vielleicht Christine oder Daniel taufen? Er oder sie kann uns sagen, wann der Wildpark öffnet oder das Konzert stattfindet. Eigentlich müssten das die Empfangsmitarbeiter:innen wissen. Vielleicht sollten wir uns doch besser einmal mit den häufig gestellten Fragen auseinandersetzen und die Mitarbeiter:innen darauf einschulen. Sonst brauchen wir wirklich bald Roboter, die das besser können.
Unser Smartphone kennt uns bald besser als wir uns selbst. Warum? Es merkt sich einfach alles. Es merkt sich jedes Hotel, jeden Sportartikel, jede Zeitung die wir in den letzten Jahren gesucht haben. Bisher haben wir mit Google gesucht und nur ein Wort eingetippt. Mit dem Sprachassistenten ändert sich das vollkommen – wir werden mehr und mehr mit dem Handy sprechen. Renommierte Studien gehen davon aus, dass innerhalb der nächsten drei Jahre 50 % des Suchens mit Sprachassistenten durchgeführt wird. Das ist die digitale Welt, die uns in nächster Zeit erwartet.
Digital ist hart und technisch. Analog ist weich und menschlich. Der Gast informiert sich digital, entscheidet aber analog. Unser Kerngeschäft ist analog! Die Digitalisierung ist eine Hilfestellung, eine Unterstützung – „Support“ in der digitalen Sprache. Sie erspart im Hintergrund Arbeit, damit ich vorne am Gast mehr Zeit habe – ob am Telefon oder persönlich, wenn er im Hotel ist.
Die Kunst liegt aber in der Kombination: digital UND analog; online UND offline; nicht „entweder-oder“ sondern „sowohl-als-auch“. Es gilt also, ein „Digital Leader“ und zugleich ein „Analog Leader“ zu sein. In dieser Kombination liegt die Zukunft.
Wird uns die „alte“ Gastgeber:in-Rolle im Jahr 2025 in vielen Hotels fehlen? Die familiäre Atmosphäre, in der man sich aufgehoben fühlt? Werden die familiengeführten Hotels zu unpersönlich? Nein, wenn die Hoteliers und Mitarbeiter:innen an der Digitalisierung arbeiten UND Gastlichkeit leben. Wenn sie sich liebevoll um Gäste kümmern UND online up-to-date sind. Wenn sie mit den Gästen auf die Alm gehen UND am Nachmittag die Website optimieren. Das ist die Chance! Vergessen wir die Wurzeln nicht. Es besteht sonst die Gefahr, dass in der digitalen Professionalisierung alte Gastgeber:in-Tugenden verlassen werden.
Die Digitalisierung hat einen Gegentrend ausgelöst. Wir beobachten eine Renaissance des Analogen. Analog ist total trendy. Und eigentlich wissen wir ja alle, dass wir nur mit der analogen Kommunikation die Herzen der Gäste erreichen. Mit einem E-Mail geht das nicht. Digital ist kalt und technisch. Bei so manchem Hotel besteht die Gefahr der Digitalisierung der Herzlichkeit. Alles wird online erledigt, statt bewusst zwischen digital und analog zu wechseln.
Loyalität entsteht nie dem Haus gegenüber sondern immer durch menschliche Begegnungen. Diese Begegnungen spürt man nur, wenn man im Haus ist. Diese Qualität ist mit Marketing nicht zu vermitteln. Das Marketing ist digitalisiert und sucht die Erstentscheidung. Begegnungen schaffen eine hohe Weiterempfehlung. Die reinen Hardware-Kaiser werden also verlieren.
Es geht immer wieder um die Sehnsüchte des Gastes. Wonach sehnt sich der Gast wirklich?
Was will nun der Gast von morgen eigentlich?
1. Der Gast will wahrgenommen werden und
2. Der Gast will wichtig sein.
Wenn es gelingt, diese zwei positiven Grundeinstellungen im Kopf zu haben, dann spiegelt sich das im täglichen Serviceverhalten wider. „Locker und nett“ zu sein, genügt nicht. Spitzenservice entsteht durch eine Kombination von Präzision und Beziehungen. Die beiden sind kein Widerspruch, sie ergänzen sich. Soft-Skills spielen im Hotelgeschäft eine große Rolle, und das ist durchaus verständlich, denn Tourismus ist schließlich ein Geschäft von Mensch zu Mensch.
Müsste man alle Service-Regeln dieser Welt auf 5 reduzieren, dann würde es folgende 5 goldene Regeln geben:
Gäste-Begeisterung über individuelle Gastgeber:in-Qualität führt zu Gäste-Bindung und macht diese unbewusst zu unbezahlbaren Multiplikatoren für Ihr Hotel. Die wirklich Guten in der heimischen Hotellerie sind durchdigitalisiert, leben aber gleichzeitig die persönliche Gastlichkeit.