Was bringt der Tourismus für die Lebensqualität vor Ort?
Lebensqualität
Was bringt der Tourismus für die Lebensqualität vor Ort?
Lebensqualität Destination
Lena Helleisz, MA
Beraterin
Stuttgart, Deutschland
lena.helleisz@kohl-partner.eu+49 7171 94 770 11Zum AutorEin Jahr voll von Diskussionen, Gesprächen und Workshops liegt hinter der ostfriesischen Insel Norderney. Nun wurde das Lebensraumkonzept Ende Oktober 2020 im Rat der Insel verabschiedet und damit ein Rahmen für die zukünftige Entwicklung der Insel gesetzt - und das nicht nur für den Tourismus.
Wohin soll sich Norderney in den nächsten Jahren entwickeln? Diese Frage stellten sich die Staatsbad Norderney GmbH und die Stadt Norderney und initiierten, begleitet durch Kohl > Partner, einen breit angelegten Beteiligungsprozess auf der Insel. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des stark wachsenden Tourismus und daraus resultierende Spannungen auf der Insel hielt man eine offene Diskussion über die zukünftige Entwicklungsrichtung für notwendig. Das daraus entstandene Lebensraumkonzept wurde Ende Oktober verabschiedet und vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Niedersachsen als „Pilotprojekt mit Vorbildfunktion“ gewürdigt. Ganz nach der Leitlinie „Unsere Lebensqualität ist uns wichtig“ stehen die Lebensqualität und die Bedürfnisse der Insulaner im gesamten Konzept im Vordergrund. Im Zentrum der Diskussionen stand dabei aber immer wieder der Einfluss des Tourismus auf alle Lebensbereiche der Insulaner und Möglichkeiten zur Regulierung und Steuerung von Besucherströmen.
Bildrechte: © Bettina Diercks
300 Teilnehmer:innen an der Auftaktveranstaltung, über 1.300 Teilnehmer:innen an der Online-Umfrage LebensQualiMeter®, mehr als 20 Workshops, Diskussionsrunden und öffentliche Zwischenpräsentationen – da merkt sogar Alexander Seiz vom Kohl > Partner Büro in Stuttgart an: „So einen intensiven und breiten Beteiligungsprozess hatten wir bisher in keinem Projekt“ und bewundert das Interesse und das Engagement der Insulaner. Mit über 2.000 berücksichtigten Meinungen stellt das Konzept eine entsprechend eindrucksvolle Abbildung des Bürgerwillens dar, mit dem sich die Insel klare Ziele und Leitlinien setzt, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Als „ein auf Norderney bisher einmaliger Prozess“ wird das Lebensraumkonzept auch im Rat der Stadt Norderney gewürdigt.
Das Besondere: Das Lebensraumkonzept fokussiert sich nicht auf ein einzelnes Thema, sondern stellt ein ganzheitliches Bild der Insel dar, zeigt Zusammenhänge auf und bildet zukünftige Entwicklungsrichtungen ab. Einige Themen des Konzepts sind hinsichtlich der Herausforderungen der Insel zwar wenig überraschend – der Handlungsbedarf in den Bereichen Wohnraum und Verkehr zum Beispiel sind schon lange bekannt und werden bereits angegangen – doch im Prozess wurden die Forderungen der Bürger:innen nochmals sehr deutlich und das Konzept gibt eine klare Richtung vor: Ein Mehr an sozialem Miteinander und Raum für die Insulaner, eine bessere Abwägung zwischen Interessen von Gästen und Einheimischen, kein ungebremstes Wachstum im Tourismus, sondern klare Grenzen und mehr Mut zu visionären und zukunftsfähigen Entscheidungen. Auch durch die Corona-Pandemie hat sich an diesen Zielen und Ausrichtungen nichts verändert, vielmehr zeigte eine Umfrage zur Evaluation der bis dahin erarbeiteten Ergebnisse vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Kontext der Pandemie ein klares Bekenntnis zu den bereits zuvor erarbeiteten Leitlinien.
Das Konzept beschränkt sich jedoch nicht auf die strategische Ebene, sondern operationalisiert die gesetzten Ziele durch detaillierte Projekte. Für sechs Schlüsselprojekte wurde in intensiven Umsetzungsgesprächen mit Beteiligten klare Verantwortungen sowie erste Schritte definiert und festgelegt.
Damit bilden diese Schlüsselprojekte die Bandbreite der diskutierten Themen sehr gut ab und stellen die größten Handlungsbedarfe in den Vordergrund. Weitere Maßnahmen, wie eine jährliche Bilanzkonferenz oder „Lebensraumforen“ sollen den weiteren Dialog mit den Bürger:innen sowie eine nachhaltige Umsetzung des Konzepts sichern. Ein erster Meilenstein soll bereits Ende des Jahres durch die Schaffung einer Koordinationsstelle erreicht werden.
Alexander Seiz macht jedoch auch deutlich, dass nicht nur die Gremien aus Politik und Verwaltung für die Realisierung des Konzepts Verantwortung tragen – vielmehr sind Insulaner und Gäste ebenso in der Verantwortung, ihren Teil zum Gelingen beizutragen und ihr Handeln entsprechend zu hinterfragen und anzupassen. Anregungen und Möglichkeiten dazu finden sich ebenfalls im Lebensraumkonzept.
Das Konzept sowie weitere Ergebnisse aus dem Prozess finden sich auf der Projektwebsite www.norderney.de/lebensraumkonzept.